21.12.2017 16:57

Umwelt & Lebensqualität Verkehr & Infrastruktur

Regierungsprogramm schwarz/blau 2017

Teil 1: Umweltpolitik
So manche "oberflächliche Analyse" des Grünen Wahldebakels bei der Nationalratswahl kam zu dem Schluss, dass unser Kernthema Umweltschutz schon von allen Parteien übernommen wurde - und man uns deshalb nicht mehr braucht.
Das stellt sich jetzt klar als fataler Irrtum heraus.

Hier unsere Analyse der Kapitel Umwelt/Klimaschutz/Energie/Mobilität/Landwirtschaft im Regierungsprogramm von ÖVP/FPÖ (die weiteren Kapitel folgen).

Abschied vom grünen Mascherl

Auch wenn die Erwartungen nicht hoch gesteckt waren - das Ergebnis unserer Analyse ist ernüchternd.
Es gibt nicht nur nichts Neues - auch am Bestehenden wird eifrig gesägt.

Auch die wichtigsten Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Global2000, aber auch der WWF und das Ökobüro schätzen das Regierungsprogramm ähnlich ein.

Auch wenn wir nicht mehr im Nationalrat sitzen: Auf Landesebene und in den Gemeinden werden wir tun, was wir können, um diese massiven Rückschritte in der Umweltpolitik zu verhindern.



Großprojekte: Umweltgesetzgebung wird ausgehöhlt...

Die einschneidendsten Punkte zum Umweltschutz finden sich unter den Punkten "Entbürokratisierung". Lästige Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen beschnitten werden:
* UVP-Verfahren sollen weiter "beschleunigt" werden
* ein Standortanwalt wird Umweltinteressen gegen "öffentliche Interessen" kleinreden
* zuguter Letzt soll ein UVP-Verfahren schon mit einer mündlichen Verhandlung beendet werden können

Angesichts der bevorstehenden UVP-Änderungen lässt auch die ÖVP/FPÖ-Ankündigung, eine "Lösung für die Umsetzung der Aarhus-Konvention" suchen wollen, Böses befürchten.
Die Aarhus-Konvention regelt die Standards für Umweltinformation, Beteiligung und Zugang zu Gerichten bei umweltrelevanten Verwahren. Österreich hat diese Konvention 2005 ratifiziert und in div. Gesetzen - wahrlich verbesserungswürdig aber doch - großteils umgesetzt.


"Kein gold plating" kommt im Regierungsprogramm 8x vor und bedeutet, dass bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht nichts mehr strenger reguliert werden soll. Musterland zu werden schreiben wir nicht nur im Umweltbereich ab, auch bei der Kapitalmarktregulierung, beim Arbeitsrecht, bei der Landwirtschaft...




Verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt

Die Überschrift ist klein gehalten, das Kapitel kurz. Bei der Balance der Maßnahmen steht die leistungsfähige Wirtschaft vor der gesellschaftlichen Solidarität und der ökologischen Nachhaltigkeit. Das sagt eigentlich schon alles.

Die Maßnahmen im Kapitel Umweltschutz sind kaum mehr als Schlagwörter
* einiges gibts eh schon und wird nur seit Jahren "ausgetrickst" (Frackingverbot) oder aus Rechtsunsicherheit halbherzig umgesetzt (Bestbieterverfahren).
* Bei einigem gibt's Widersprüche in anderen Kapiteln des Programms (Trinkwasserschutz: Eindämmung der Pestizide kommt in der Landwirtschaft nicht vor, Bestbieterverfahren: "Vergabefremde Materien" wie z.B. Corporate Social Respondsibility = CSR sollen bei der Öffentlichen Auftragsvergabe entrümpelt werden) und nicht zuletzt die alte Parole vom Umwelt-Musterland, die sich spätestens durch das gold-plating ergibt.

Ein paar eindrucksvolle Zeilen gibt es auch zum Tierschutz, die z.B. die praxistaugliche Onlinebewerbung von Tierschutzvereinen sicherstellen sollen. Aber natürlich nur für die "braven Vereine" - TierschutzaktivistInnen, die lauter gegen Tiertransporte und Tierfabriken auftreten, müssen aufpassen: Der Schutz auf Eigentum und das Hausrecht - insbesondere auch gegen das illegale Eindringen in Stallungen wird ausgeweitet - das Strafrecht verschärft.

Energiewende: nix Neues, nix Konkretes

Dass Österreich bei der Erreichung der Klimaschutzziele immer weiter abrutscht und als eines von nur 4 EU-Ländern diese voraussichtlich nicht erreichen wird, hat die europäische Umweltschutzagentur uns erst vor kurzem wieder bescheinigt.

Konkrete Pläne, diesen Trend zu ändern, finden sich im Regierungsprogramm nicht. Neben den allgemeinen Bekenntnisse zu den Zielen der "Stromautonomie" (100% des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien bis 2030) und Senkung der Treibhausgas-Emissionen ist die Rede von einer Klima- und Energiestrategie, die erarbeitet werden soll (als gäbe es noch keine Strategien).
Relativ viel Text gibt's zum Thema "Mobilisierung von privatem Kapital" (von Anleihen bis zu Pensionskassen, die in Erneuerbare investieren sollen).
Und natürlich baut man auf Effizienzsteigerung - jeder Förder-Euro soll sich mehr rechnen... nach aktivem Ausbau der Erneuerbaren Energien klingt das nicht.

Die Energiewende im Bereich des Verkehrs beschränkt sich auf eine "Elektrifizierung bzw. Alternative Antriebssysteme des Öffentlichen Verkehrs" - und Anreizimpulse für Fahrzeuge mit emissionsfreien Antriebsformen. Nix mit Ausbauzielen für den Öffentlichen Verkehr - so wie das gesamte Verkehrsprogramm doch eher einen Rückschritt befürchten lässt. Die Erreichung der Klimaschutzziele kann ohne Verkehrswende nicht funktionieren!

Neu ist, dass Österreich künftig nicht nur auf Atomkraft verzichten soll, sondern auch auf Kohlestrom - aber auch hier nix Konkretes.
Einen Zeitplan für die Schließung der letzten Kohlekraftwerke in Österreich sucht man schon vergeblich, ebenso einen Hinweis darauf, ob der Verzicht auch den mittels Zertifikaten "grüngewaschenen" Strom betrifft. Bisher hat die ÖVP mehr Transparenz bezüglich der Herkunft des Stromes penibel verhindert.


Wie das konsequente Einschreiten gegen grenznahe Atommülllager aussehen soll, bleibt im Programm ebenfalls offen - für den Österreichischen Atommüll in Seibersdorf (oberirdisch gelagert - und in der Einflugschneise des Flughafens gelegen) findet sich im Programm natürlich keine Aussage.

Und ob der neue Bundeskanzler die (vom alten Bundeskanzler) versprochene Klage gegen Ungarn wegen ihrer unsäglich hohen Förderung für den Ausbau das AKW Paks einbringen wird, ist ebenfalls unbekannt.

Landwirtschaft - Tourismus- Umwelt

Schon die Zusammenfassung von Landwirtschafts- und Umweltministerium hat sich des öfteren als Umwelt-Hemmschuh herausgestellt (insbesondere beim Grund- und Trinkwasserschutz).

Thomas Waitz, EU-Abgeordnter der Grünen und Biobauer, bringt’s auf den Punkt
Nix Ökologisierung, Pestizide sind gar kein Thema, auf CETA-Widerstand wird verzichtet (dafür dürfen wir weiter im Wirtshaus rauchen). Einerseits streben wir die 100%ige Versorgung in Österreich an - andererseits gibt's eine Exportoffensive.
Ahja - Gentechnikfreiheit kommt schon vor - da soll jetzt ganz Europa bekehrt werden. Gentechnikfreiheit bei den Futtermitteln für die heimischen Nutztiere gehört aber offenbar nicht zu den Zielen des Regierungsprogramms...

Und der AMA-Gütesiegelschmäh? Da soll jetzt (österreichisches?) Palmöl zurückgedrängt werden - und Transparenzregelungen soll's auch geben. Ob dann auch transparent dargestellt wird, wie hoch der österreichische Wertschöpfungsanteil eines AMA-Produktes tatsächlich ist?


Mobilität - Straßenausbau und Öffi-Einsparungen

liest sich im Regierungsprogramm so: "Das bedeutet, dass wir die Straßen entsprechend ausbauen und erhalten müssen. Das bedeutet aber auch, dass das Angebot von Öffentlichen Verkehrsmitteln laufend verbessert und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst werden muss.

Die neue Regierung nimmt sich also nicht mal vor, den Öffentlichen Verkehr auszubauen - Verlagerung von Straße auf Schiene (und Wasserstraße) gibt's nur mehr für die Zuwächse im Güterverkehr (allerdings auch das ohne Idee, wie das gehen könnte).

Das mit den 160 km/h auf der Autobahn war auch in der letzten blau/schwarzen Koalition ein wichtiges Orchideenthema - erhöhter Schadstoff- und Lärmausstoß sind da genauso egal wie die erhöhte Unfallgefahr. Jetzt kommt auch noch das Rechtsabbiegen bei Rot dazu. Für RadfahrerInnen durchaus sinnvoll (in den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Dänemark und der Schweiz gibt es diese Regelung seit den 1990er) - wenn auch AutofahrerInnen eingebunden werden, wie in den USA, ist mit einer Erhöhung der Unfallzahlen zu rechnen.
Außerdem sollen LKWs nächtens schneller fahren dürfen, damit die PKWs sich nicht einbremsen müssen. Höhere Lärm- und Schadstoffemissionen sind auch dabei offenbar egal.
Infrastruktur-Projektausbau auf der Straße (aber auch auf der Schiene) sollen schneller über die Bühne gehen - weil Umweltverfahren "beschleunigt" werden.

Bei der Schiene wartet die Regierung mit dem Ausbau auf EU-Finanzierung, kürzt das geplante Bauprogramm und schafft einen integrierten Taktfahrplan (den's eh schon gibt).
Der Personalabbau liest sich im Regierungsprogramm noch mit "dass der bevorstehende Generationenwechsel einerseits zu Effizienzsteigerungen .... genutzt wird" - der neue Infrastrukturminister sagt's im Kurier-Interview etwas deutlicher "bei Abgängen etwas weniger nachbesetzen"(und nebenbei gleich mal beim Vorstand mit dem Umfärben anfangen - aber auch das kennen wir doch von der ersten Runde schwarz/blau).


Das "einheitliche transparente Tarifsystem" wäre ja wünschenswert, wenn man einheitlich das Wiener Modell des 365-Euro-Tickets übernäme - es ist aber zu befürchten, dass es eher in die andere Richtung geht.