20.10.2017 08:49
Umwelt & Lebensqualität Verkehr & Infrastruktur
Richtigstellung: Abfahrt oder Ambition?
Dass ich unter dieser Überschrift aus der NÖN lache, hat mich heute doch sehr überrascht - und auch getroffen. Warum? Leider hat die NÖN (so wie ÖVP/SPÖ/FPÖ das auch gern tun) nur die halbe Wahrheit gelesen. Deshalb nun hier der Versuch einer Richtigstellung
Das Mobilitätskonzept Korneuburg 2036 wurde vergangenen Woche im Rathaus präsentiert. Es enthält zahlreiche Maßnahmen, die überwiegend aus der BürgerInnen-Beteiligung eingebracht wurden und die uns helfen können, die anstehenden Verkehrsprobleme in den Griff zu bekommen.
Um auch die Auswirkungen dieses Handelns oder Nicht-Handelns zu verbildlichen, wurden Modellrechnungen für 2026 und 2036 für unterschiedliche Varianten erstellt.
Das Ergebnis ist klar: entweder handeln wir ambitioniert, oder eine zusätzliche Abfahrt Mitte (die 4 spurige B3 will niemand) führt auf eine noch überfülltere A22.
Ambitioniertes Handeln kann weitere Straßenausbauten verhindern!
Das geht ebenfalls aus dem Mobilitätskonzept hervor - wird aber gern überlesen.Wenn wir die zahlreichen Maßnahmen sehr ambitioniert durchsetzen und Öffis, Radfahren und zu-Fuß-Gehen attraktiveren, können wir uns Abfahrt Mitte oder die 4 spurige B3 ersparen.
Und nur so können wir verhindern, dass die A22 wieder zu klein wird.
Wer nachlesen will, was wirklich im Mobilitätskonzept steht - es ist nun auch auf der Gemeindehomepage zum Download zu finden:
3 Varianten: B3 4spurig, Abfahrt Mitte oder Ambitionierte Umsetzung des Konzepts
Mobilitätskonzept2036/Traffix: Bottleneck
Der Engpass, der sich bei der 0-Variante (keine Maßnahmen) mit einer Abfahrt Mitte ergibt, ist genauso hoch, wie in der Variante 2 (ambitioniert) ohne Abfahrt - der Sättigungsgrad der Abfahrt liegt in beiden Fällen bei 1,12. Schon im Bestand 2015 liegt der Sättigungsgrad bei 1,04!
Im Mobilitätskonzept werden 3 Möglichkeiten angeführt, wie dieser Engpass zu lösen wäre:
- durch einen 4 spurigen Ausbau der B3 zwischen Wienerring und Abfahrt Ost - das will niemand
- durch die Errichtung einer Abfahrt Mitte (wobei der Verkehr dadurch eben nur "verlagert" wird) oder
- durch eine sehr ambitionierte Umsetzung des Konzepts.
Abfahrt Mitte bringt Sie nicht schneller nach Wien!
Mobilitätskonzept2036/Traffix: Fahrleistung in Korneuburg
Denn das Problem wird nur verlagert...
Vielleicht ersparen sich korneuburger AutofahrerInnen dann 3 min bei der Auffahrt - haben dann aber fast doppelt so viele Fahrzeuge auf der A22 (graue Balken) und auch das "Weiterkommen" in Wien (z.B. über die Nordbrücke) wird schwierig.
Aus diesem Grund enthalten die Modellrechnungen im Mobilitätskonzept auch keinen durch die Abfahrt Mitte induzierten Verkehr.
ambitioniert - auch über Gemeindegrenzen hinaus!
Mobilitätskonzept2036/Traffix: Fahrleistung der KorneuburgerInnen
An der Prognose der PKW-Fahrleistung der KorneuburgerInnen zeigt sich, dass hier (trotz 50 % Bevölkerungszuwachs), bei einer ambitionierten Umsetzung die Verkehrsbelastung kaum ansteigen muss.
Um die Stadt zu entlasten - und den (dann hoffentlich Elektro-)AutofahrerInnen ein möglichst staufreies Vorankommen zu ermöglichen, ist deshalb auch die Region und das Land gefragt!
Die überregionale Zusammenarbeit - insbesondere im Bereich ÖV, aber auch Radverkehr, aber auch bei der Stadtentwicklung - ist deshalb eine wichtige Maßnahme im Mobilitätskonzet.
Kommt die Abfahrt Mitte?
Mobilitätskonzept2036/Traffix: Verkehrsleistung 2026
Denn wenn es nach uns geht, entscheiden wir uns für die Variante einer sehr ambitionierten Umsetzung des Mobilitätskonzeptes!
Diese Entscheidung liegt nicht in der Hand des Gemeinderates!
Wenn die ASFINAG eine Abfahrt Mitte errichten - und das Land NÖ eine Abfahrt Mitte finanzieren wollen, wird es jedenfalls noch einige (7-8) Jahre dauern, bis konkrete Pläne vorliegen, einem UVP-Verfahren unterzogen werden und dieses auch "bestehen".
Bis dahin sind alle Varianten offen.
Die Politik wird laufend entscheiden, wie rasch, konsequent und ambitioniert das Mobilitätskonzept umgesetzt wird. Davon wird auch abhängen, ob wir bis zur Entscheidung über die Abfahrt Mitte "im Verkehr ersticken" - oder eine Trendwende herbeiführen können.
12 % sind nicht unmöglich!
Wien_Modal_Split 1993-2012
Leicht ist das nicht - aber es ist auch nicht unmöglich!
Wien hat es vorgezeigt - da konnte der KFZ-Anteil im Modal Split in 20 Jahren um 10 % gesenkt werden. Allein von 2010 auf 2012 lag die Verlagerung auf Öffis bei 4%. Wenn das Angebot stimmt und die Menschen es kennen, sind sehr viele bereit, auf Öffis umzusteigen.
Natürlich ist Wien nicht Korneuburg - aber Wien hatte auch schon 1993 besser ausgebaute Öffis als wir - und trotzdem einen PKW-Anteil wie wir in Korneuburg 2015. Da ist noch weit mehr Potential nach oben, als es 1993 in Wien war.
Übrigens hat der Viertelstundentakt der S-Bahn bereits im ersten Betriebsjahr die Fahrgastzahlen um rund 20% erhöht - und da gibt's noch eine Menge Potential.
Viel naiver ist es, zu glauben, dass due Abfahrt Mitte ein Allheilmittel ist und die A22 und die Wiener Anschlüsse eine Verdoppelung vertragen.